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Riesenaufreger Bonpflicht

Die Bonpflicht ärgert Gastronomen und Einzelhändler und spaltet politische Lager und Verbände. Alles über Sinn & Zweck, Schwachpunkte, Alternativlösungen und mögliche Umgehungsversuche.

Von Jens Rother/shutterstock.com

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter derzeit hierzulande stärker als die seit dem 1. Januar 2020 geltende Bonpflicht. Die im Rahmen der neuen Kassensicherungsverordnung eingeführte sogenannte Belegausgabepflicht für Einzelhandel und Gastronomie verlangt, dass für jeden Buchungsvorgang ein Beleg (Bon) erstellt und dem Gast beziehungsweise Kunden zur Verfügung gestellt wird ‒ elektronisch oder in Papierform. In vielen anderen europäischen Ländern wird die Bonpflicht bereits umgesetzt.

Steuerbetrug eindämmen

In Deutschland eingeführt hat sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit dem Ziel, Steuerbetrug einzudämmen. Nach Schätzungen des Bundesrechnungshofs und der Steuergewerkschaft gehen den deutschen Finanzämtern durch nicht registrierte Bargeldumsätze pro Jahr mindestens zehn Milliarden Euro verloren. Die von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft begrüßte Bonpflicht soll Steuerhinterziehung mittels manipulierter Kassen verhindern. Dagegen führt der Handelsverband an, dass nicht die Bonpflicht Steuerhinterziehung verhindere – entscheidend sei allein, dass Kassen manipulationssicher sind. Eben dies sollen sie durch das neue verpflichtende TSE-Zertifikat des neuen Kassengesetzes auch werden. Entweder zweifelt der Staat an dessen Manipulationssicherheit oder an der flächendeckenden, kurzfristigen Umsetzung dieses technischen Standards. Und macht den Gast beziehungsweise Kunden mittels der Bonpflicht zum Erfüllungsgehilfen des Finanzamts.

Wirksamkeit in der Praxis

Allerdings funktioniert dies nur, wenn die Kunden die Bons auch mitnehmen – wozu sie jedoch nicht verpflichtet sind. Denn nur in diesem Fall ist es für Gastronomen oder Händler riskant, Umsätze später heimlich aus der Kasse verschwinden zu lassen. In der Praxis werden die meisten Bons aber einfach liegengelassen. So postete ein genervter Bäcker Anfang Januar Fotos von seinem Müllberg, der die nicht mitgenommenen Bons weniger Tage dokumentiert. Insbesondere Bäckereien, Kioske und Imbisse mit kleinen Umsatzbeträgen kritisieren unzumutbaren Aufwand und unnötigen Müll. Schützenhilfe bekommen sie ausgerechnet von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker kritisiert einen ausufernden Bürokratie-Wahn und will die Bonpflicht nachträglich aushebeln.

Kritik von allen Seiten

Auch die FDP hat einen Gesetzentwurf eingebracht hat, um die Bonpflicht im Wesentlichen zu canceln. Umweltverbände prangerndie klimaschädlichen Auswirkungen nicht recycelbarer Müllberge aus Thermopapier an – welches aufgrund des krebserregenden Inhaltsstoffes Bisphenol A auch noch gesundheitsschädlich ist. Der deutsche Hotel- und Gastronomieverband DEHOGA dagegen wehrt sich vehement gegen den Generalverdacht des systematischen Betrugs in seiner Branche. So setzten seine Verbandsmitglieder bereits heute moderne Registrierkassen ein, die nicht mehr manipulierbar seien. Die Freie Apothekerschaft hat eine Petition gegen die Bonpflicht beim Deutschen Bundestag angekündigt und hofft dabei auf Unterstützung durch den Handel.

Lösungsansatz Bagatellgrenze

Um den Bürokratie-Aufwand einzudämmen wird derzeit über eine Bagatellgrenze diskutiert, welche kleinere Geschäftsvorgänge von der Bonpflicht befreien würde. So forderte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, die Bonpflicht bei Rechnungssummen unter fünf Euro auszusetzen. Beispielsweise plant Frankreich diesen Herbst die Einführung einer Bagatellgrenze in Höhe von 10 Euro einzuführen. Dies würde die Thermopapier-Schwemme um ein nicht unerhebliches Maß reduzieren.

Digitale Alternativlösungen

Komplett umgehen ließen sich die Bon-Müllberge durch digitale Lösungen. So könnte der Gesetzentwurf die simple Anzeige des Kassenbons auf einem Display erlauben. Auch elektronische Belege im Rahmen bargeldloser Zahlungen wären eine Lösung. Im Land der Bargeldliebhaber konnten sich aber bisher weder mobile Bezahlmöglichkeiten noch Kartenbezahlung durchsetzen. Praktikabler wären unter Umständen Bon-Ersatz-Apps wie smartbeleg.com, Admin,Bill.lessoder wunderbon.app. Allerdings müssten diese vorab heruntergeladen werden und sie haben darüber hinaus hierzulande noch keine kritische Masse erreicht. Ein Ulmer Hotel testet derzeit das digitale Quittierungssystem „Greenbill“, welches ohne Anmeldung oder App-Download möglich sein soll.

Handlungsspielraum für Gastronomen

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit einer Befreiung von der Belegausgabepflicht, welche durch den Steuerberater beim örtlichenFinanzamtbeantragt werden kann. Diese Härtefall-Regelung nach Paragraf 148 AO wird für Gastronomen aber wahrscheinlich wenig erfolgversprechend sein. Die Bonpflicht einfach zu missachten, ist auch keine ratsame Option. Zwar drohen in diesem Fall keine Bußgelder, allerdings erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit häufigerer Betriebsprüfungen, welche womöglich Steuernachzahlungen zur Folge haben könnten. Der Handlungsspielraum für Gastronomen ist derzeit also relativ gering. Erfolgversprechender scheinen Zusammenschlüsse zur Forderung gesetzgeberischer Nachbesserungen zu sein.

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